Interpellation «Handyverbot» an der Thurgauer Volksschule
Daniel Vetterli und Aline Indergand reichen eine Interpellation ein, die die Problematik der Handynutzung an der Thurgauer Volksschule thematisiert.
Wissenschaftliche Studien bestätigen den Zusammenhang der ausufernden Nutzung von Sozialmedia mit den zunehmenden psychischen Problemen der Schüler und Schülerinnen. Die Interpellanten fragen den Regierungsrat, wie sich die Situation im Thurgau über die letzten Jahre entwickelt hat und wie er die Schulgemeinden bei der Einführung von Handyverboten unterstützen will.
Jüngst im Buch «Generation Angst» vom amerikanischen Sozialpsychologen Jonathan Haidt veröffentlichte Forschungsergebnisse haben ergeben, dass Kinder ihren Handy-konsum nicht mehr selbständig regulieren können. Er zeigt auf, dass die sehr intensive und lange tägliche Nutzung von Smartphones und verwandten elektronischen Geräten und der massive Konsum von sozialen Medien Grund für grosse Zunahme psychischer Probleme bei den Jugendlichen ist. Die Jugendlichen kämpfen mit dem Druck, dass sie ständig online sein und mit anderen Personen interagieren müssen. Dieser Druck führt zu kognitiver Überlastung und psychischem Leid. Das hat ausserdem zur Folge, dass die Kinder unter der Zunahme von Angst und Depressionen sowie unter Verlust von Schlaf leiden, mit Einsamkeit sowie Vergleichswahn kämpfen und starken Konzentrationsproblemen ausgesetzt sind. Seine Forderung zum Schutz der Jugendlichen ist klar formuliert: «Kein Smartphone bis zum 14. Geburtstag und keine sozialen Medien bis zum 16. Geburtstag».
Ein Zusammenhang zwischen dem Handykonsum bzw. dem Konsum von sozialen Medien und der starken Zunahme der psychischen Probleme von Oberstufenschülerinnen und -schülern kann also schlecht wegdiskutiert werden. Die Interpellanten fragen deshalb den Regierungsrat, wie er darauf reagiert und ob er bereit ist, die Schulen bei der Einführung von strikten Handyregeln zu unterstützen.
Eines der Bildungsziele des Thurgauer Lehrplan 21 lautet wie folgt:
«Bildung ermöglicht dem Einzelnen, seine Potenziale in geistiger, kultureller und lebenspraktischer Hinsicht zu erkunden, sie zu entfalten und über die Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt eine eigene Identität zu entwickeln.»
Die Erreichung dieses Bildungsziels sehen die Interpellanten als stark gefährdet, weil der Überfluss des Konsums von sozialen Medien vorliegt und die Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt ausserhalb der Schule vermehrt nur noch digital stattfinden. Umso wichtiger ist diese Auseinandersetzung während der Schulzeit ohne jegliche Ablenkung durch Handys oder ähnliches. Das Bildungsziel könnte also besser erreicht werden, wenn die Handynutzung eingeschränkt bzw. sogar verboten würde, damit sich die Schülerinnen und Schüler wieder verstärkt auf den Unterricht konzentrieren und mit den Mitschülern interagieren können, ohne ständig das Suchtverhalten «Handykonsum» stillen zu wollen.
Es gibt bereits vereinzelte Schulen, die ein Verbot von elektronischen Geräten seit mehreren Jahren praktizieren. So wird in Arbon seit 2016 in der Schulordnung festgeschrieben, dass die Schüler auf der ganzen Schulanlage und im Schulbus auf die Handynutzung verzichten müssen. Auch in Würenlos AG wird ein Handynutzungsverbot praktiziert. Die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler fallen entsprechend positiv aus. Diese sind von diesem Verbot sogar begeistert.
Für die Interpellanten haben die Eigenverantwortung und selbständiges Handeln einen sehr hohen Stellenwert. Es zeichnet sich aber klar ab, dass die Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter diese Fähigkeit nicht haben, sich selbständig von den Handys abzunabeln und dem sozialen Druck der gleichaltrigen Gesellschaft Stand zu halten. Stattdessen, um dazugehören zu können, opfern sie ihr Leistungspotenzial und die Möglichkeit, ausgewogene und breit gefächerte Fähigkeiten in der Schule anzueignen, die auf den späteren Lebensabschnitt in der Berufswelt vorbereiten. Diese alarmierende Entwicklung sollte die Politik zum Handeln aufrufen.
Der Regierungsrat wird ersucht, die nachfolgenden Fragen zu beantworten:
- Sieht der Regierungsrat einen Zusammenhang bezüglich des Konsums von sozi-alen Medien und der Zunahme der psychischen Probleme der Schülerinnen und Schüler?
- Wenn ja, wie fällt das Ausmass im Kanton Thurgau aus?
- Wenn nein, wo sieht der Regierungsrat die Gründe für die Zunahme von psychischen Problemen?
- Gemäss Volksschulgesetz §60 Absatz 2 müssen neue oder geänderte Schulgemeindeordnungen durch das zuständige Departement bewilligt werden. Wie viele Thurgauer Schulgemeinden haben bereits ein Verbot oder eine Einschränkung vom Gebrauch von Handys und anderen elektronischen Geräten in ihren Schulgemeindeordnungen geregelt und wie stark unterscheiden sich diese Regelungen?
- Ist der Regierungsrat bereit, im Kanton Thurgau eine handyfreie Volksschule einzuführen? Welche Chancen und welche Risiken wägt er dabei gegeneinander ab?
- Wie stellt sich der Regierungsrat vor, Einschränkungen des Handygebrauchs bzw. eines Verbotes umzusetzen und wie könnte der Regierungsrat die Schulgemeinden in der Durchsetzung des Verbots unterstützen?
- Welche Herausforderungen sieht der Regierungsrat in der Umsetzung eines Ver-bots hinsichtlich der Anspruchsgruppe «Eltern»?