Motion: ,,Finanzierung der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung”

Der Regierungsrat wird beauftragt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, dass der Kanton das Instrument der subjektorientierten Betreuungsgutscheine einführt und sich an deren Kosten beteiligt. Der Beitrag des Kantons soll dabei mindestens die Hälfte der Kosten an den Betreuungsgutscheinen umfassen.
Damit soll der Anreiz geschaffen werden, dass die Gemeinden das System der Betreuungsgutscheine übernehmen. Das Einkommen, Vermögen und Arbeitspensum der Erziehungsberechtigten sowie die Familiengrösse sollen unter anderem Kriterien für die Gutscheinberechtigung sein. Die Kostenbeteiligung bezieht sich auf die Differenz zum Vollkostentarif, wobei der höchste Tarif einer Deckelung unterliegen soll.
Die Betreuungseinrichtungen, bei denen die Gutscheine eingesetzt werden können, sollen einer kantonalen Qualitätssicherung unterliegen, die die bestehende Qualitätssicherung umfassender und präziser definiert.
Begründung
Thurgauer Familien erbringen gesellschaftlich und wirtschaftlich eine bedeutsame Leistung, welche seitens der Öffentlichkeit Anerkennung und Respekt verdient. Der Bericht über die familien- und schulergänzende Kinderbetreuung vom 26. November 2020 zeigt auf, dass die Förderung und die finanzielle Unterstützung von Betreuungseinrichtungen durch die öffentliche Hand, namentlich der Gemeinden, Lücken aufweisen. Zudem zeigen verschiedene Studien auf, dass sich eine Erwerbsaufnahme oder -ausbau in den meisten Situationen aufgrund der Steuer- und Abgabenbelastung sowie Kinderbetreuungskosten finanziell nicht oder kaum lohnt.
Das «Gesetz der familienergänzenden Kinderbetreuung» vom 11.08.2004 regelt lediglich Grundsätze. Der Bericht über die familien- und schulergänzende Kinderbetreuung hat jedoch aufgezeigt, dass die Umsetzung in den Gemeinden nicht im Sinne des Gesetzgebers erfolgt. Die Thurgauer Gemeinden engagieren sich oft nur in Teilbereichen der familienergänzenden Kinderbetreuung, indem sie beispielsweise eine Leistungsvereinbarung mit einem Tagesfamilienverein abschliessen. Familien haben dadurch kaum eine Wahlfreiheit oder müssen andernfalls die Kosten für die Betreuung vollumfänglich selber übernehmen. Mit der Einführung und Mitfinanzierung von Betreuungsgutscheinen soll der Kanton zum einen Anreiz schaffen und zum anderen die Gemeinden finanziell entlasten. Zudem ist zu beachten, dass beim Bund in diesem Bereich aktuell eine Finanzierungsgrundlage erarbeitet wird, welche eine Kostenbeteiligung über drei Jahre vorsieht.
Was sind Betreuungsgutscheine?
Mit Betreuungsgutscheinen wird die externe Betreuung von Kindern durch die öffentliche Hand vergünstigt. Betreuungsgutscheine können Eltern mit nachgewiesenem Bedarf beziehen. Die Gutscheinhöhe hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, wie z.B. Einkommen, Vermögen, Arbeitspensum, Familiengrösse sowie auch vom jeweiligen Betreuungstarif.
Je nach System kann der Gutschein entweder von der anerkannten Betreuungsinstitution bei der Rechnung in Abzug gebracht werden oder das Guthaben wird den Eltern direkt durch die öffentliche Hand erstattet.
Welche Effekte können mit Betreuungsgutscheinen erzielt werden?
- Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Vermeidung von Sozialhilfe
- Frühe Förderung
- Erhöhung von Steuereinnahmen
- Weg von der Objektfinanzierung hin zur Subjektfinanzierung
- Abdeckung der individuellen Bedürfnisse der Eltern durch die Wahlfreiheit
- Förderung des unternehmerischen Denkens der Betreuungsinstitutionen
- Der Standort der Betreuungsinstitution ist dort, wo das Bedürfnis nach Betreuung besteht
- Minderung des Fachkräftemangels
Erfahrungen in Kantonen, die dieses System bisher eingeführt haben, sind durchwegs positiv.
Pflichten der anerkannten Betreuungsinstitutionen
Die anerkannten Betreuungsinstitutionen, welche Betreuungsgutscheine entgegennehmen, könnten beispielsweise verpflichtet werden, einerseits Kinder mit besonderen Bedürfnissen aufzunehmen und andererseits im Rahmen ihrer Kapazitäten vorübergehend Kinder in sozial dringlichen Notsituationen aufzunehmen, bis ein regulärer Platz gefunden wird. Diese Situationen bestehen bereits heute. Ebenso muss die Qualitätssicherung gewährleistet und nachgewiesen werden können.
Frühe Förderung
In Zusammenhang mit der frühen Förderung, bspw. der Sprachförderung könnte geregelt werden, dass bei einem Bedarf an sprachlicher Unterstützung Betreuungsgutscheine ausgegeben werden. Die Beteiligung seitens der Familien an den Kosten könnte auch aufgrund der elterlichen Erwerbstätigkeit legitimiert werden, wenn die Kinder die Ganztagesbetreuung benutzen.
Nutzen für den Kanton
- Standortvorteil für den ganzen Thurgau
- Einheitliche Qualitätssicherung
- Höhere Steuereinnahmen
Nutzen für die Gemeinden
- Wegfall von diversen Leistungsvereinbarungen mit den Betreuungsinstitutionen
- Steigerung der Standortattraktivität als familienfreundliche Gemeinde
- Kleine Gemeinden fühlen sich nicht unter Druck, ein eigenes Betreuungsangebot im Vorschulalter bereitstellen zu müssen
- Betreuungsinstitutionen entstehen dort, wo die Nachfrage besteht, wodurch auch deren Wirtschaftlichkeit gegeben ist
- Gezielter Einsatz von öffentlichen Mitteln
- Keine Defizitgarantie
- Höhere Steuererträge
- Einsparungen bei der Sozialhilfe
- Rechtsgleichheit für Eltern und Institutionen
Qualitätssicherung
Im Kontext der gesetzlichen Anpassungen soll die Qualitätssicherung neu überdacht und insofern angepasst werden, dass eine Begleitung seitens des Kantons möglich wird. Die Reglementierungen sollen dabei nicht weiter ausgebaut werden. Eine sinnvolle Unterstützung soll dahin führen, dass die gegebenen Ressourcen entsprechend optimal genutzt werden können. Die Anlehnung an die Kriterien des Labels der „Qualikita” würden wir unterstützen – die Einführung des Labels selbst allerdings nicht. Denkbar ist die Angliederung der Qualitätssicherung bei der kantonalen Zulassungsstelle für Betreuungsinstitutionen.
Es ist den Initianten ein Anliegen, dass in der Beantwortung der Motion eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen (inkl. positiver Folge-Effekte) aufgeführt wird.