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Motion “Schaffung der Gewährung der Sonderschulung oder eines Brückenangebotes für Kinder und Jugendliche mit Behinderung gemäss Art. 62 Abs. 3 BV”

Gemäss «Sonderschulkonzept Kanton Thurgau» haben die Kantone laut Bundesverfassung für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr zu sorgen. Im Kanton Thurgau besteht diesbezüglich eine Bildungslücke für Beeinträchtige bis zum 20. Altersjahr. Kindern und Jugendlichen bleibt in der beschriebenen Situation nur die Lösung, in eine Erwachsenen-Institution überzutreten oder ausserkantonal eine altersgemässe Bildungsinstitution zu suchen, welche vom Kanton finanziert wird. Der Regierungsrat wird deshalb beauftragt, die Gewährung der Sonderschulung oder eines Brückenangebotes für Kinder und Jugendliche mit Behinderung zu schaffen, um die Vorgaben der Bundesverfassung Art. 62 Abs. 3 BV «Die Kantone sorgen für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr.» zu erfüllen.

Gemäss «Sonderschulkonzept Kanton Thurgau» haben die Kantone laut Bundesverfassung für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr zu sorgen. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist in jedem einzelnen Fall zu beurteilen, welche die über die obligatorische Schulzeit hinaus für die Jugendlichen sinnvollste Lösung ist. Eine verlängerte Sonderschulung wird insbesondere dann in Erwägung gezogen, wenn eine berufliche Eingliederung nicht möglich und eine weitere Sonderschulung sinnvoll ist. Leider kommt es im Kanton Thurgau vor, dass nach der obligatorischen Schulzeit Jugendliche mit Beeinträchtigung ausgeschult werden, wenn sie nicht gleich nachfolgend eine Berufsausbildung machen können bzw. wenn der Berufswahlprozess noch nicht abgeschlossen ist. Da die meisten Beeinträchtigungen mit Entwicklungsverzögerungen einhergehen, liegt es auf der Hand, dass diese Jugendlichen am Ende der obligatorischen Schulzeit noch Bildungszeit benötigen, um ihr Potenzial ausschöpfen zu können.

Im Kanton Thurgau besteht nun aber eine Bildungslücke für Beeinträchtige bis zum 20. Altersjahr. Kindern und Jugendlichen bleibt in der beschriebenen Situation nur die Lösung, in eine Erwachsenen-Institution überzutreten oder ausserkantonal eine altersgemässe Bildungsinstitution zu suchen, welche vom Kanton finanziert wird. Konkret bedeutet diese Situation, dass z.B. ein 15-Jähriges behindertes Mädchen auswärts leben und schlafen muss, obwohl es mehr Zeit braucht, sich von den Eltern loszulösen. Die Weiterführung der schulischen Bildung fällt von einem Tag auf den anderen weg, obwohl ein Recht auf Bildung besteht. Da das Sozialamt den Platz in einer Institution finanziert, darf die jugendliche Person unter der Woche nicht nach Hause. Einige Institutionen erlauben sogar nur alle zwei Wochen einen Aufenthalt daheim. Diese Handhabung ist weder alters- noch entwicklungsgemäss. Die Jugendliche arbeitet und wohnt zusammen mit Menschen, die nicht ihrem Alter entsprechen (Wohngemeinschaften mit Erwachsenen bis über die Pension hinaus). Eine altersgerechte Peer-Group und ein angemessener Jugendschutz vor Übergriffen fehlen. Die Gleichstellung gegenüber Kindern ohne Handicap fehlt damit.

Das Amt für Volksschule des Kantons Thurgau bezieht sich bei seinen Entscheiden, ob ein Jugendlicher über die obligatorische Schulzeit hinaus eine Sonderschule besuchen darf, auf folgende Kriterien:

  1. Das Sonderschulkonzept des Kantons Thurgau vom 01.01.2021, welches für die Verlängerung der Sonderschulung an die Prognose anknüpft, ob zu einem späteren Zeitpunkt eine Ausbildung absolviert werden kann, die die Erwirtschaftung eines Stundenlohns von Fr. 2.55 ermöglicht.

  2. Ob es in den vorhandenen Sonderschulen im Kanton noch Platz hat.

Diese beiden Kriterien sind nicht mit Art. 62 Abs. 3 BV (und darüber hinaus auch nicht mit der kantonalen Bestimmung in § 14 Abs. 2 SonderschulV) vereinbar. Diese Be-stimmungen gehen dem Sonderschulkonzept als übergeordnetes Recht vor. Der Kanton ist verpflichtet, genügend Plätze für berechtigte Kinder und Jugendliche zu schaffen wie z. B. im Kanton Zürich das Angebot 15plus. Die vom Amt für Volksschule des Kantons Thurgau angewandten Kriterien bei der Verlängerung der Sonderschulung erweisen sich vor diesem Hintergrund somit als unzulässig.

Die Verlängerung der Sonderschulung darf gemäss den Vorgaben der Bundesverfassung (Art. 62 Abs. 3 BV) also nicht davon abhängig gemacht werden, ob bei einem Kind oder einer jugendlichen Person mit Behinderung noch ein Bildungszuwachs zu erwarten ist. relevant für die Verlängerung der Sonderschulung ist vielmehr, ob das Kind oder die jugendliche Person einen Bedarf auf weitere Bildung hat, die ihm eine möglichst gleichberechtigte und selbständige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht.

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