Motion „Warme Progression analog der kalten Progression gesetzlich regeln. Anpassung der Steuertabellen an den Nominallohnindex, entlastet die Wirtschaft und die Haushalte“
Am 14. November 2023 hat der Regierungsrat des Kanton Thurgau analog zu Bund und anderen Kantonen die Verordnung über die kalte Progression (VAKP) genehmigt. Seit 1.1.2024 ist der RB 640.13 VAKP entsprechend in Kraft. Die gesetzliche Basis dazu ist über den § 40 Abs2. StG geregelt um die Sozialabzüge gemäss § 36 und § 37 Einkommenssteuertarif an den Landesindex der Konsumentenpreise auszugleichen.
Motion von Kantonsrat Stephan Tobler
Die positive Teuerung in den zwölf Monaten nach dem 30. Juni 2022 machte für die Steuerperiode 2024 eine Anpassung des Einkommenssteuertarifs und der Sozialabzüge notwendig. Die Folgen der kalten Progression werden für die Zwecke der Staatsund Gemeindesteuern nach der gleichen Methodik wie bei der direkten Bundessteuer (Basis Landesindex der Konsumentenpreise LIK) umgesetzt. Im Thurgau wird die berechnete kalte Progression von aktuell 1.66 Prozent ausgeglichen.
Neben der kalten Progression gibt es aber auch die warme, reale Progression. Wächst eine Wirtschaft real, geraten die Steuerpflichtigen immer wieder in höhere Progressionsstufen. Dies hat zur Folge, dass die Steuerbelastung stärker als die realen Einkommen ansteigen, was letztlich den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterläuft.
«Dass ein Haushalt bei einem realen Einkommenszuwachs einen überproportionalen Anstieg der Steuerlast hinnehmen muss, ist gemeinhin akzeptiert, ja, im Sinne der Steuergerechtigkeit von einer Mehrheit der Stimmbevölkerung so gewollt: Er ist in der Einkommensverteilung aufgestiegen und soll daher anteilsmässig stärker zur Finanzierung kollektiver Leistungen beitragen. Dass aber die Steuerquote eines ganzen Staates über die Zeit schleichend ansteigt, weil die Gesellschaft aufgrund von Produktivitätsfortschritten im Gesamten ein Reallohnwachstum erzielt, ist sachlich nicht zu rechtfertigen und auch nicht explizit so gewollt. Das blinde Zulassen einer schleichenden Erhöhung der Staatseinnahmen durch die warme Progression unterläuft Bemühungen um die Begrenzung des staatlichen Fussabdrucks2».
Eine Studie von Avenir Suisse hat aufgezeigt, dass der Reallohnanstieg beim Bund von 2010 bis 2020 um 8,4 Prozent dazu geführt hat, dass Schweizer Haushalte aufgrund der warmen Progression 800 Millionen Franken an direkter Bundessteuer mehr bezahlen als sie müssten, wenn ihre Steuerlast ebenfalls lediglich proportional, d.h. um 8,4 Prozent, angestiegen wäre. Das bedeutet, dass ein Haushalt, der weiterhin in der Mitte der Einkommensverteilung liegt, ebenso ein Haushalt der weiterhin auf der unteren Hälfte der Einkommensverteilung liegt, im Lauf der Jahre, bei allgemeinem Produktivitätswachstum, einer zunehmenden relativen Steuerlast gegenübersteht*.
*avenir.suisse.ch/publication/warme-progression/
Auf der kantonalen Ebene ist gemäss Avenir Suisse der Effekt mindestens gleich hoch. Vereinfacht gesagt bewirkt die warme Progression eine unsichtbare «Steuerfusserhöhung », ohne dass man diese beantragen und durch den politischen Prozess bringen muss.
Diese für den Staat angenehme, aber analog des Effektes der Teuerung nicht gerechtfertigten Steuereinnahmen sind deshalb wie bei der kalten Progression zu kompensieren. Das ist gut möglich, wenn dafür die Basis der Entwicklung des Nominallohnindexes herangezogen wird. Damit würden jegliche Verteilungseffekte vermieden und es wäre gewährleistet, dass die Steuerlast nicht mehr automatisch stärker als die Kaufkraft der Löhne steigt. Analog der ungerechten kalten Progression greifen erste Kantone das Thema auf, sind offen diesen Systemfehler zu beheben und auch für die warme Progression entsprechende Anpassungen vorzunehmen. So hat vor wenigen Monaten die Regierung des Kanton Graubünden einen entsprechenden Auftrag als überweisungswürdig erhoben, um genauer abzuklären, wie gross der Effekt wäre und welche Gesetze entsprechend angepasst werden müssten.
«Dass ein Haushalt bei einem realen Einkommenszuwachs einen überproportionalen Anstieg der Steuerlast hinnehmen muss, ist gemeinhin akzeptiert, ja, im Sinne der Steuergerechtigkeit von einer Mehrheit der Stimmbevölkerung so gewollt: Er ist in der Einkommensverteilung aufgestiegen und soll daher anteilsmässig stärker zur Finanzierung kollektiver Leistungen beitragen. Dass aber die Steuerquote eines ganzen Staates über die Zeit schleichend ansteigt, weil die Gesellschaft aufgrund von Produktivitätsfortschritten im Gesamten ein Reallohnwachstum erzielt, ist sachlich nicht zu rechtfertigen und auch nicht explizit so gewollt. Das blinde Zulassen einer schleichenden Erhöhung der Staatseinnahmen durch die warme Progression unterläuft Bemühungen um die Begrenzung des staatlichen Fussabdrucks²».
Profitieren von einer Umsetzung würde die Thurgauer Steuerzahler und die Thurgauer Wirtschaft. Ein entsprechender Steuerausfall soll wie bei der kalten Progression über die parlamentarischen Instrumente geführt werden. Die warme und kalte Progression im Thurgau zu eliminieren, hilft dem Kanton in seinem Bestreben modern, innovativ und steuertransparent zu sein.